Von Karl SchliekerAuf den niedrigen Mauern der Uferpromenade der tunesischen Hafenstadt Mahdia sitzen miteinander plaudernde Frauen – mit und ohne Schleier, nach der jüngsten Pariser Mode oder eher traditionell gekleidet – einträchtig nebeneinander. Junge Männer fläzen sich auf ihren Vespa-Rollern, Kinder tollen herum. Der feinsandige Strand fällt umsäumt von Dünen sanft Richtung saphirfarbenem Meer ab. Es ist der öffentliche Strand, die Hotels nördlich des Ortes am Cap Afrique haben ihre eigenen Strände. Auch dort ist nach Jahren der Leere langsam das Leben zurückgekehrt.
Naturkosmetik aus Kaktusfeigen, Leinsamenöl, Kamille oder grünem Ton: Mit den nach traditionellen Rezepten kreierten Cremes und Ölen gegen Akne, Falten oder auch Haarausfall hat Ammari Mohamed in Mahdia die Firma Karesse Cosmetics gegründet. Der Biologe steht für die aufstrebende Generation junger Tunesier, die nach der Jasmin-Revolution ihre Chancen nutzt. Mit einem Partner in Paris hat er einen Frankreich-Vertrieb gegründet. „Die tunesische Wirtschaft wächst durch viele kleine Geschäfte von unten“, ist er sich sicher. „So wird langsam die Grundlage für Wohlstand geschaffen.“ Der junge Manager freut sich auf die Kommunalwahlen am 17. Dezember.
Auf den Tag genau sieben Jahre nachdem sich der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi aus Protest anzündete und damit den Arabischen Frühling auslöste, werden Tunesier auch auf lokaler Ebene erstmals freie Wahlen haben. Die Macht der alten Eliten könnte gebrochen werden, hofft Ammari Mohamed, der sich zudem sicher ist: „Islamisten haben bei uns keine Chance. Bei der Jugend sind sie verhasst.“
Tunesien ist das einzige Land in Nordafrika, in dem sich demokratische Strukturen etabliert haben. Eine neue Verfassung garantiert Grundrechte. Ein Gesetz verankert den Schutz von Frauen vor Gewalt und sexueller Belästigung. Die Sicherheitslage hat sich seit den blutigen Anschlägen im Jahr 2015 stabilisiert. Problematisch bleibt allerdings der soziale Konflikt zwischen den wirtschaftlich schwachen Wüstenregionen und dem vergleichsweise gut entwickelten Küstenstreifen.
Große Hoffnungen verbinden sich vor allem an der Küste mit dem sich langsam wieder erholenden Tourismus. Die Zahl der Urlauber stieg landesweit im ersten Halbjahr um 29 Prozent auf 2,5 Millionen. Der Direktor des Mahdia Palace, Samir Souissi, ist optimistisch. „Es geht wieder aufwärts“, berichtet der 48-Jährige. Ein Drittel der rund 450 Zimmer in der Hotelanlage wurden in diesem Sommer von inländischen Touristen gebucht. Zudem zieht der Maghreb-Tourismus beispielsweise aus Algerien an. „Aber auch die Europäer kommen zurück.“ Vor allem Franzosen zählten dazu, aber auch Deutsche seien unter den Gästen. Souissi geht davon aus, dass die Reiseveranstalter im nächsten Jahr wieder mehr Flieger einsetzen. Die DER-Touristik-Gruppe ist bereits mit verschiedenen Veranstaltermarken im Hotel vertreten – ebenso Alltours. Sie locken mit Ausflügen auf den „Spuren der Gladiatoren“, „Markttreiben“, „Wüste erleben“, „Wege des Islam“ oder einfach einem Trip mit dem Piratenschiff. Auch ein Besuch in Monastir mit dem schönen Mausoleum der Familie des Ex-Präsidenten Bourguiba lohnt. Die Hochsaison geht von April bis Ende Oktober, aber auch im Winter sind die Temperaturen noch frühlingshaft mild. Viele Hotels sind ganzjährig geöffnet.
„Die Tunesier lieben das Leben.“ Hoteldirektor Souissi setzt darauf, dass neben dem Strandurlaub zusätzliche Themen wie die Meerwassertherapie Thalasso das Angebot ergänzen und neue Touristengenerationen für die Region begeistern können. Das hochkarätige Festival d’El Jem für klassische Musik zählt zu den Attraktionen. Im nach Rom und Capoue drittgrößten Kolosseum der Welt, das rund 40 Kilometer von Mahdia entfernt liegt, spielen internationale Ensembles. Das Amphitheater zählt zum Weltkulturerbe.
Auch in Tabarka an der Nordküste Tunesiens hat das örtliche Jazz-Festival eine lange Tradition. Nach einer Pause ist es in diesem Jahr zu neuem Leben erwacht. „Unterschiedliche Musikrichtungen sollen verschiedene Altersgruppen sowie Touristen und Einheimische für das einwöchige Festival begeistern“, erläutert der künstlerische Leiter Mourad Mathari. Bei internationalen Künstlern setzten lange Vorlaufzeiten und das begrenzte Budget zwar Grenzen. Trotzdem sei es gelungen, unter anderem die Rocksängerin Beth Hart, den Bluesgitarristen Lucky Peterson oder die Grammy-Preisträgerin Dee Dee Bridgewater (alle aus den USA) zu verpflichten. Nordafrikanische Künstler wie Oum aus Marokko oder der tunesische Sänger Sabry Mosbah ergänzten das Programm.
Mosbah, der beim Konzert gefeiert wird, singt von der Liebe zu seinem Land. Er mischt westlichen Pop mit nordafrikanischen Musiktraditionen. Die elektrisch verstärkte Oud, eine Laute aus dem Vorderen Orient, prägt den Sound. „Tunesien ist auf einem guten Weg“, sagt er nach dem Konzert. Auch er ist guter Stimmung. Im Herbst soll seine neue CD auch in Deutschland veröffentlicht werden.
Das Tourismusministerium will mit dem Tabarka-Jazz-Festival die Region beleben. Derzeit sind vor allem Urlauber aus Frankreich anzutreffen, da seit diesem Sommer wieder wöchentlich Direktflüge von Paris in den Norden Tunesiens starten. Italien wird folgen. Auch Deutschland könnte ab dem kommenden Jahr wieder dazugehören, hofft der örtliche Tourismus-Kommissar Hichem Mahouachi. Von 21 Hotels sind in Tarbaka noch sieben geschlossen. Tui hat mit dem Magic Hotel & Resort Thabraca gerade eine große Hotelanlage revitalisiert. Ein Hoffnungszeichen.
„Tabarka steht für Korallen, Jazz und Langusten,“ sagt Mahouachi. Er setzt wie seine Kollegen an der Südküste auf Angebote, die über den klassischen Strandurlaub hinaus gehen. Bekannt ist die Küste mit ihren Korallenbänken, Höhlen und Steilwänden als Taucherparadies. Im grünen Norden Tunesiens wurde zusätzlich ein Radwegenetz – 70 Kilometer im Raum Tabarka und 90 Kilometer im Hinterland – angelegt, wie der Tourismus-Kommissar berichtet. Der 18-Loch-Golfplatz, der in zweijähriger Arbeit überholt wurde, soll eine kaufkräftige Klientel in die Stadt bringen. Die 110 Hektar große Fläche liegt umsäumt von Pinien und Eukalyptusbäumen direkt am Meer. „Urlauber können jeden Tag etwas anderes unternehmen“, wirbt Mahouachi. Tunesien hofft auf das Comeback als Touristenziel.
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