Von Christoph CuntzWIESBADEN - Dass die Natur in Nationalparks sich selbst überlassen bleibt, ist nur ein Teil der Wahrheit. Zur vollen Wahrheit zählt, dass die Natur auch Touristen überlassen wird: Die mehr als 53 Millionen Besuchertage in den deutschen Nationalparks generierten einen Bruttoumsatz von fast 2,8 Milliarden Euro, heißt es in einer Studie, die das Bundesamt für Naturschutz in Auftrag gegeben hat. Klar: Besucher-Magneten sind vor allem die Schutzgebiete an den Küsten. Sogenannte Wald-Nationalparks bringen deutlich weniger Geschäft. Und doch: Auch die Rhön könnte signifikant profitieren, wenn dort ein Nationalpark ausgewiesen würde. In diesem Fall würde der Tourismus jährlich 27,5 Millionen Euro in die Rhön spülen. Zu diesem Ergebnis ist der Würzburger Regionalforscher Hubert Job gekommen. Es sind verlockende Aussichten für eine Region, in der die Bevölkerung schrumpft, und in der gut bezahlte Jobs Mangelware sind.
Nichts soll gegen die Region unternommen werden
- GLOSSAR
In einem Naturschutzgebiet stehen Pflanzen- wie Tierarten unter Schutz. Die landwirtschaftliche Nutzung ist meistens untersagt. Naturschutzgebiete können Biotope wie Moorlandschaften, Heideflächen, Gebirgslandschaften oder Wälder sein.
Landschaftsschutzgebiete sind großflächig angelegt, Auflagen und Nutzungseinschränkungen hingegen geringer. Solche Schutzgebiete sollen das Landschaftsbild für Tourismus und Erholung erhalten.
In einem Nationalpark wird die Natur meistens sich selbst überlassen. In der Regel sind es Gebiete, die ökologisch besonders wertvoll oder von herausragendem landschaftlichem Reiz sind, und die im Auftrag einer Regierung verwaltet werden. Sie werden oft auch als Erholungsgebiete und für den sanften Tourismus genutzt. Die 16 Nationalparks in Deutschland haben zusammen eine Fläche von mehr als einer Million Hektar. In Hessen gibt es bislang den Nationalpark Kellerwald-Edersee.
Ein Biosphärenreservat ist eine von der UNESCO initiierte Modellregion, in der nachhaltige Entwicklung in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht exemplarisch verwirklicht werden soll.
Im Rennen um einen neuen Nationalpark in Bayern haben es die Rhön und die Donauauen ins Finale geschafft. Die Chancen, am Ende als Sieger durchs Ziel zu laufen, stehen für das Mittelgebirge nicht schlecht. Der Nationalpark dort könnte sich über mehre Bundesländer hinweg erstrecken: größtenteils in Bayern zwar, aber auch in Thüringen und in Hessen. Darüber hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer mit Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier gesprochen. Sie vereinbarten eine fachliche Prüfung aller möglichen Optionen und waren sich einig, dass keine Festlegung gegen die Region getroffen werde.
Doch die Stimmung vor Ort ist schwer auszuloten. Zwar schwärmt schon ein „Bündnis Nationalpark Rhön“, Natur sei „der bessere Förster“. Aber es gibt auch Opposition: die hessischen Waldbauern etwa, die sich ebenfalls auf den Würzburger Professor berufen. Denn Hubert Job hat nicht nur ausgerechnet, wie einträglich das Geschäft mit dem Nationalpark wäre, sondern auch, dass die Holzwirtschaft in der Rhön mit einem Verlust von jährlich 2,5 Millionen Euro kalkulieren müsste – eben weil der Wald kein Wirtschaftswald mehr wäre, sondern Urwald würde.
„Es gibt keine Argumente, die für einen Nationalpark Rhön sprechen“, sagt Michael Freiherr von der Tann, Präsident des Hessischen Waldbesitzerverbandes. In der Rhön gebe es bereits seit 1991 ein Biosphärenreservat. Damals habe man um jeden Quadratmeter Kernzone gekämpft. Heute seien fast 7 500 Hektar nicht mehr bewirtschaftet. Im Biosphärenreservat dominiere der Grundgedanke, dass Menschen in den Naturschutz mit einzubeziehen sind, ohne ihnen die Lebensgrundlage zu entziehen. Ein Nationalpark aber sei der Bevölkerung nicht zumutbar: „Er sperrt die Menschen aus“.
Positiv haben sich die Landesverbände des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zu den Plänen geäußert. Ein Nationalpark Rhön biete „eine große Chance für den grenzüberschreitenden Naturschutz“, er sei „ein wertvoller Beitrag für mehr Waldwildnis“.
Gleichwohl hat man Thomas Norgall, stellvertretender Geschäftsführer des BUND in Hessen, schon engagierter gesehen als in diesem Fall. „Der Ball liegt im Spielfeld der Bayern“, sagt der Umweltschützer. Die müssten zunächst entscheiden, ob Donauauen oder Rhön. Zwar sieht Norgall durchaus schützenswerte Fläche in der hessischen Rhön. Er denkt an zusammenhängende Waldgebiete. Doch die, die er im Blick hat, sind Teil des Truppenübungsplatzes Wildflecken. Und ob das Bundesverteidigungsministerium bereit wäre, auf einen Teil davon zu verzichten: Norgall hat da seine Zweifel.
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